Ulrike Arnold
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Die Farben der Erde - Ulrike Arnold
von Sabine Schultes

Da sitzen wir in dieser winzigen Dachwohnung in Wuppertal-Vohwinkel, und sie erzählt von der Wüste. Es regnet in Strömen. Sie fährt sich mit beiden Händen durch das ungebärdige Haar mit den Sonnenreflexen und antwortet auf meine Frage, bevor ich sie stellen kann. "Ich habe so viel Licht und Energie gespeichert, daß mir das deutsche Grau noch nichts ausmacht." Sie ist gerade aus Arizona gekommen und glüht vor Kraft und Lebensfreude. Mit raschen, leichten Bewegungen breitet sie Fotos der letzten Reise auf dem Boden aus, jedes hat eine Geschichte. Ihr Hände sind überraschend zart. Ich sage es. Sie lacht herzhaft." Weil ich mit Erde und Steinen arbeite? Meine Hände sind meine Werkzeuge, aber das Malen schmirgelt sie regelrecht ab." Ulrike Arnold ist Erd-Malerin. Ihr Atelier ist die freie, ungeschützte Natur, ihre Materialien sind Gestein, Sand und Erde." Reisen ist untrennbar mit meiner Arbeit verbunden. Ich gehe über die Erde und werde von ihr getragen.Ich erwandere Landschaften und erlebe mich als Teil der Landschaft. Ich versuche, sie mit allen Sinnen zu erfahren, betrachtend zu erfassen und körperlich zu spüren. "Sie gräbt die Erde dieser Landschaft mit den Händen ab und trägt sie mit den Händen auf die Leinwand auf. Es geht ihr nicht darum, Natur abzubilden, sondern nach und nach durchlässig für die besondere Stimmmung , vielleicht sogar Magie eines Ortes zu werden und sie in ihren Bildern fühlbar, sichtbar zu machen." Hier hat es angefangen." Sie streicht über die rauhe Struktur der Leinwand, die die ganze Wand über der niedrigen Couch ausfüllt. Intensives Gelb, Rot und Ocker fließen ineinander. Man meint, einen Kontinent aus dem Weltraum zu betrachten.1980 in den Ockerbrüchen des Roussillons. Eigentlich war sie zum dritten Mal wegen der Höhlenmalereien nach Südfrankreich gekommen. Prähistorische Felsbilder waren das Thema ihrer Examensarbeit gewesen. Noch war sie Lehrerin für Musik und Kunst an einer Jungen-Realschule in Hilden, hatte sich nach und nach abgenabelt, die Stundenzahl verkürzt, begonnen, heimlich Malerei an der Düsseldorfer Kunst-Akademie zu studieren. " Es ging irgendwie, aber ich war ziemlich tot. Doch es war mir so wichtig..." Der Konflikt kam, als sie immer mehr Zeit für die Kunst brauchte. An diesem besonderen Tag in Rustrel, allein in der Hitze, umgeben von Rot und Ocker, traf alles in einem Augenblick zusammen: Die Farben, das Licht, der Geruch der Erde, die Landschaft. "Auf einmal meint man, alles zu begreifen". Sie wusste: So wollte sie sich ausdrücken. Sie wollte mit den Farben der Erde experimentieren. "Ich war selbst überrascht. Bis dahin hatte ich immer nur gezeichnet. Ich dachte, Farbe sei nichts für mich ..." Mit den Händen gräbt sie Erde ab und nimmt sie mit nach Hause. Es gibt niemanden, der in dieser Weise arbeitet. Sie muß die Technik selbst herausfinden. Sie fragt herum, probiert alle möglichen Bindemittel aus: Kasein, Öl, Eigelb, Knochenleim, Kleister. Mit Öl glänzt die Oberfläche, die Erde fühlt sich nicht mehr wie Erde an. Oder die Leinwand wird hart und lässt sich nicht mehr rollen. Sie findet heraus, daß Kunstharzbinder den Erd-Haut-Charakter der Bilder am wenigsten verändert. Der Trocknungsprozess ist nicht zu lang, und die großen Leinwände lassen sich gut transportieren." Ganz praktische Dinge sind bei meiner Arbeit auch wichtig. Die Ausrüstung: Zelt, Rucksack, Kochgeschirr, Proviant, Wasser. Ich muß schließlich überleben. Ich brauche einen Hammer, um das Gestein zu zerkleinern, Behälter zum Anrühren und so weiter..."

Die Orte, an denen sie malt, sind meist nur zu Fuß zu erreichen, oft erst nach vielen Tagen. Aber das gehört dazu, es ist Teil des Prozesses. Bei diesen Wanderungen stimmt sie sich auf die Landschaft ein, paßt sich Schritt für Schritt dem Rhythmus der Natur an, bekommt nach und nach ein Gefühl für die Geologie der Umgebung, in der sie sich bewegt. Kein Zweifel, diese Frau hält nicht viel von abgehobenem Künstlertum. Sie hat eine erfrischend handfeste Seite. Nicht nur das Malen selbst, sondern auch die Vorbereitung und die Realisierung ihrer Expeditionen an unbekannte Orte machen ihr Spaß, auch noch, wenn es anstrengend wird. Ulrike Arnold kann erzählen. Die vielen kleinen Erlebnisse unterwegs, die Begegnungen mit den Menschen sind ihr wichtig. In die mexikanische Sonora-Wüste begleiteten sie zwei Yaqui-Indianer; einer siebzig, der andere achtzig Jahre alt.Verständigen konnten sie sich nur mit Gesten und ein wenig Spanisch. Zerkratzt von den scharfen Dornen der Ocotillo-Sträucher und mit Kaktus-Stacheln gespickt, erreichte sie das Plateau der White Mesa, eine Hochebene aus hellem Lava-Tuff, geformt wie die Finger einer Hand. Wenn die fünf Lastesel hinterein- ander liefen, blieb eine scharfe weiße Linie zurück.Von diesem Ort hatte sie durch Zufall erfahren. Merkwürdige Kreise seien dort, erzählte man ihr in Flagstaff. Tatsächlich war das Plateau übersät von kreisrunden, in den Stein geschlagenen Vertiefungen. Alle hatten denselben Durchmesser und dieselbe Tiefe. Die beiden Indianer kannten diesen Ort, wußten aber nichts über seine Geschichte. "Man müßte die Kreise aus der Luft sehen. Vielleicht ergeben sie ein Bild..." Sie gießt mit einer Hand Kaffee ein und zeigt mir mit der anderen Tonscherben, die sie auf dem Plateau gefunden hat. Sie will Thor Heyerdal von den Kreisen erzählen. Eines Tages hatte sie den alten Forscher einfach auf Teneriffa besucht, seitdem ist sie mit ihm befreundet.Sie zeigt mir das Foto des sieben Meter langen Bildes, das in der Mesa Blanca entstanden ist. Viel Weiß, Grautöne, dunkelgrüne Flächen, es strahlt Ruhe aus.Ganz anders das Bild, das sie im Painted Desert bei Flagstaff gemalt hat, aufwühlend und explosiv.Es gibt dort am San Francisco Wash, einer kleinen Schlucht, einen Felsen, zu dem es sie seit Jahren immer wieder hinzieht. "Ein Stück der Felswand war abgebrochen, der Untergrund schneeweiß, und ich habe darauf gemalt." Auch in diesem Jahr ist sie dorthin gewandert, um zu sehen, was die Natur mit dem Ort und ihrem Felsbild gemacht hat. Sie würde nicht auf jedem Felsen malen." Man muß empfinden, ob man das machen kann, ob der Eingriff nicht zu stark ist. Man muß auf das eingehen, was schon da ist, und fähig sein, es dort zu lassen. Vielleicht würden es Leute, die vorbeikommen, überhaupt nicht erkennen..." Die Vorstellung macht ihr Freude. Sie lacht. "Natürlich dokumentiere ich diese Arbeiten mit Fotos, aber wer sie wirklich sehen will, muss sich schon auf den Weg machen."Sieben Erdbilder von sieben Orten sind Ulrike Arnolds Projekt für die nächste große Ausstellung. Bewusst hat sie sich dabei auf das Colorado Plateau im Südwesten der USA beschränkt. Sie will die Verschiedenartigkeit der Erde zeigen und die ganz unterschied- liche Ausstrahlung der Orte vermitteln. Die Bilder sind sieben Meter lang und 1,5 Meter breit. Die Verwendung der Symbol-Zahl verweist auf den rituellen Charakter ihrer Arbeitsweise. Am liebsten würde sie die Bilder senkrecht nebeneinander hängen - wie Gebetsfahnen. Und auf sieben Monitoren die Orte zeigen, an denen sie entstanden. "Jörg Immendorf hat mir mal gesagt, es sei völlig egal, wie meine Bilder entstünden. Nur das Bild selbst zähle." Ihre hellen Augen werden schmal; sie unterstreicht jedes Wort mit einer entschiedenen Handbewegung." Das sehe ich total anders! Für mich ist der Entstehungsprozeß genauso wichtig wie das Ergebnis. Das Bild spiegelt meine Empfindungen an einem bestimmten Ort. Alle Gefühle und Erlebnisse, die ich dort habe, gehen in das Bild ein, auch Träume sind wichtig."

Wie man ein Bild aufbaut, Komposition und Schwerpunkt festlegt, das hat sie gelernt, darüber muss sie nicht mehr nachdenken. "Im Augenblick des Malens schaffe ich aus mir heraus. Das fließt einfach. Ich arbeite ganz stark mit dem Unterbewußtsein. Wenn ich persönliche Probleme hätte oder Depressionen, könnte ich so nicht malen." Das Telefon klingelt. Sie ignoriert es, auch die schnarrende Stimme auf dem Anrufbeantworter.Was bedeutet Alleinsein für sie, frage ich.Sie hebt die Kaffeetasse zum Mund und schließt für einen Moment die Augen.Es gibt zwei Arten, sagt sie schließlich. Das allein Arbeiten in der Natur ist wichtig. Dabei Zuschauer zu haben, kann sie sich nur schwer vorstellen. "Malen ist ein sehr intimer Prozess. Ich muß offen sein und mich auf den Ort konzentrieren." Das andere Alleinsein hat Ulrike Arnold lernen müssen. Das war 1987 in Australien.Sie will die Felsmalereien der Aborigines sehen und selbst mit den Farben malen, die seit zwanzigtausend Jahren dafür verwendet werden. Im Arnhem-Land östlich von Darwin lebt sie in einem Minen-Camp. Zuerst bleibt sie nur tagsüber allein im Outback und kehrt abends zu den Arbeitern zurück. Bis irgendwann der Punkt kommt, wo sie wissen will, ob sie es auch ganz allein aushält. Sie hört von der Schlucht Ruby Gorge bei Alice Springs, in deren Nähe Ockerbrüche sind, aus denen die Aborigines seit Jahrtausenden ihre Farben abgraben. Von einem Ranger lässt sie sich dort absetzen. Sie notiert in ihr Tagebuch: ‘ Man wird mich in einigen Wochen wieder abholen. Bis dahin reichen Ausrüstung und Verpflegung. Klare, vom Vollmond erleuchtete Nächte, Ich singe gegen das Geheul der Dingos.’ Sie zieht einen Ausstellungs-Katalog aus einem Bücherstapel und zeigt mir die Bilder, die in dieser Zeit entstanden, kraftvoll, körnig, intensiv, sie strahlen Hitze aus. Es war ihre größte Erfahrung. Damals hat sie gelernt, Angst zu überwinden. Die Stille, das Beobachten der Naturvorgänge, der Lauf der Sonne machen sie immer ruhiger. Sie fühlt sich geborgen. eine nie geahnte Kraft setzt sich frei, sie arbeitet bis zum letzten Tageslicht und oft auch nachts. "Ein solches Glücksgefühl..." Sie lächelt nach innen und atmet tief ein.Auf dem Klavier liegen aufgeschlagenen Notenhefte. Ich sage, daß ich sie singen gehört habe. Sie stand in einer Kirche in Armenien, allein wie ein Kind im Raum. Das war im Museum Bochum, wo ein Video-Film zur Ausstellung ‘Die Reise nach Armenien’ lief, die sie mit zwei Künstler-Freunden gemacht hatte. Spielerisch schlägt sie eine Taste an. "Singen ist mein zweites Element. Ich habe Gesang studiert. aber ich könnte nie vor Publikum auftreten. Für mich ist es eine Art Zwiesprache, wenn ich allein bin. Ich rede nicht mit mir selbst, ich singe." Das Telefon klingelt. Diesmal geht sie dran, als sie die Stimme auf dem Anrufbeantworter erkennt. Es geht um eine Verkaufsausstellung, für die ihr ein Düsseldorfer Fotograf sein Atelier zur Verfügung stellt. "Nach so einer Reise muss ich sehen, wie ich zu Geld komme", sagt sie, als sie den Hörer auflegt. "Der Kampf um die reine Existenz ist manchmal atemberaubend." Eine Gynäkologin aus Norddeutschland will ein Arizona-Bild kaufen. Auch eine Versicherung ist interessiert. Ulrike Arnold ist ernst geworden. "Andere hätten wahrscheinlich schon längst Volkshochschul-Kurse gegeben. aber ich habe diese ungeheure Zuversicht. Es wird gehen, weil ich an die Sache glaube. Ich will es schaffen, also muß ich Realistin sein. Die Übergänge sind manchmal schwieirg..." Auf einem Stück Wüstenland bei Flagstaff wird gerade ein kleines Holzhaus für sie gebaut, achteckig wie ein indianischer Hogan. Eigentlich fühlt sie sich als Nomadin, doch in der letzten Zeit wurde der Wunsch stärker,eine Ausgangsbasis in Arizona zu haben, von der sie zu den Reisen aufbrechen und zu der sie zurückkehren kann. Das Geld für die zehn Acres haben ihr ihre Brüder geliehen. In Deutschland möchte sie irgendwann nur noch ein kleines Zimmer haben."Für Telefon, Fax und Anrufbeantworter." Sie lacht laut. "Es ist verrückt, aber ausgerechnet für mich ist es wichtig, erreichbar zu sein. Sonst kann ich nichts verkaufen, ich bin ja meistens unterwegs - und ich habe noch so viel vor!" Ihr Projekt ist, Künstler aus aller Welt zusammenzubringen, die in irgendeiner Form mit Erde arbeiten. Auf den Reisen hat sie viele Kontakte geknüpft. Es gibt erstaunliche Parallelen. Zum Beispiel zwischen den rituellen Streubildern der Navajo-Schamanen und den Mandalas aus farbigem Sand, die die tibetischen Mönche legen. Dazu australische Aborigine-Maler und die Avantgarde der Land-Art-Künstler. Die Idee kam ihr, als sie 1992 zur Umwelt Konferenz nach Rio de Janeiro eingeladen wurde. Seitdem arbeitet Ulrike Arnold konsequent und zielstrebig an der Verwirklichung ihres Traums. Die Kaffeekanne ist leer, das Tonband ist zu Ende, der Regen hat aufgehört. Sie bringt mich zur Tür. "Alles hat sich ganz natürlich entwickelt. Eigentlich ist es ganz einfach.. "

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